Warum gerade Pferdebücher ?
Auf Lesereisen, bei Interviews und in Leserbriefen taucht immer wieder die gleiche Frage auf: "Warum schreiben Sie gerade Pferdebücher?"
Tja, warum mache ich das?
Wenn ich früher keine Lust mehr hatte, ernsthaft zu antworten, sagte ich: "Damit ich die passenden Weihnachtsgeschenke für meine Nichten habe." Der Satz wurde immer sehr wohlwollend belächelt und manchmal sogar für bare Münze genommen. Aber natürlich liegen die wahren Gründe für das Anwachsen meiner eigenen 'Bibliothek' ganz woanders.
Um die Frage ehrlich zu beantworten, muss ich weit ausholen, muss ich vierzig Jahre zurückgehen.
Alles fing damit an, dass ich Reitstunden nehmen durfte. Der Erlaubnis war ein langer, zäher Kampf gegen den Widerstand meines Vaters vorausgegangen. Dann war es endlich so weit, dass ich in den Sattel steigen konnte.
Das Ergebnis meiner Bemühungen war eher mager. Alles andere als ein Naturtalent, saß ich in der ersten Zeit mehr neben als auf dem Pferd. Das war schon deshalb sehr enttäuschend, weil ich erwartet hatte, dass die Sache mehr nach dem Motto: "Fury, wie wär´s mit einem Ausritt?" ablaufen würde.
Es nützte mir gar nichts, dass ich mich quer durch unsere örtliche Bücherei las. Die Geschichten, die ich dort auslieh, hatten nur wenig mit der Realität, wie ich sie erlebte, gemeinsam. In den Pferdebüchern war immer alles ganz einfach. Da hatte nie jemand Probleme beim Reiten lernen! Da fiel die Hauptperson höchstens einmal - und dann auch nur aus Versehen! - vom Pferd; denn das war natürlich viel zu treu, um seinen Reiter abzuwerfen. Eher rettete es ihm bei einer Feuersbrunst das Leben.
Manchmal war es auch umgekehrt. Dann rettete der Held (oder noch öfter die Heldin) den wilden Hengst, zähmte ihn und gewann nach ein paar Wochen bereits ein Rennen oder ein Springturnier.
Und das alles ohne jemals vorher auf einem Pferd gesessen zu haben. Es war wirklich toll.
Nun, bei mir war es leider nicht so. Vielleicht lag das ja nur daran, dass ich es eben nicht mit wilden Hengsten zu tun hatte sondern mit ganz normalen Reitschulpferden, noch dazu Stuten.
Dann kam ich in die Buchhändlerlehre und hatte freien Zugriff auf alle Neuerscheinungen in Sachen Pferdebuch. Ich las, was auf den Markt kam, aber viel Neues fand ich nicht. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, unterschieden sich die Geschichten kaum und waren genauso irreal wie das, was ich schon kannte.
Nachdem ich mich gründlich genug über die unrealistischen Bücher geärgert hatte, schritt ich zur Tat. Nach dem Motto: Was andere können, kann ich auch! begann ich, ein Pferdebuch zu schreiben.Ein realistisches Pferdebuch! Eines ohne Hengst, aber dafür mit Szenen aus dem Reitschulalltag, wie er mir vertraut war.
Ich arbeitete an dem Manuskript, wann immer ich Zeit hatte, meistens nach Feierabend und an den Wochenenden. Meine Eltern wunderten sich zwar, warum ich so oft und ausdauernd auf der Schreibmaschine herumklapperte, aber sie stellten keine Fragen.
Nach vielen arbeitsreichen Wochen war das Manuskript fertig und wurde abgeschickt. Dann begann das Warten. Zwei, drei, vier Monate vergingen, ohne dass ich eine Antwort bekam. Ich hatte mich gerade damit abgefunden, dass ich wohl doch nicht gedruckt werden würde, als plötzlich die Zusage da war. Mein Buch würde erscheinen!
Postwendend setzte ich mich hin und schrieb ein zweites Buch, das ebenso postwendend abgelehnt wurde. Das brachte mich wieder auf den Boden der Tatsachen. Sooo einfach war es wohl doch nicht. Aber aufgeben? Niemals! Die beginnende 'Sucht' war stärker als die Enttäuschung. Ich wollte schreiben!. Ein drittes Buch, die Forsetzung des ersten, hatte in meinem Kopf bereits konkrete Formen angenommen. Ich setzte mich hin und schrieb. Zur Abwechslung wieder mit Erfolg.
Von da an gab es nichts mehr, was mich bremsen konnte. Buch auf Buch entstand, alle nahe an der Realität, fast alle ein Spiegel dessen, was ich erlebte: das erste eigene Pferd, die Geburt (m)eines Fohlens, der Umzug aufs Land, der Beginn der Offenstallhaltung, die wachsende Herde, Lehrgänge und Wanderritte - alles floss in meine Geschichten ein. Damit hoben sich meine Bücher lange Zeit von anderen Pferdebüchern ab und verschafften mir einen guten Namen, bei Pferdefreunden genauso wie bei Bibliothekaren und Buchhändlern.
Die Pferde sind meine besten, treuesten und ergiebigsten Stofflieferanten. Bis heute sorgen sie dafür, dass mir die Themen nicht ausgehen. Immer wenn ich glaube, nun langsam alles über sie zu wissen, beweisen sie mir, dass das nicht stimmt. Und deshalb wird der Umgang mit ihnen auch niemals langweilig!
Damit sind wir endlich wieder bei der Frage vom Anfang, und ich denke, die Antwort ist klar.
Pferde sind aus meinem Leben nicht mehr wegzudenken. Sie sind Teil meines Alltags. Mit ihnen beginnt und endet mein Tag. Sie machen viel Arbeit, aber sie schenken mir auch unendlich viel Freude. Manchmal ärgern sie mich, aber meistens bin ich glücklich, dass ich sie habe. Sie sind meine guten Freunde und die besten Lehrmeister, wenn es darum geht, eigene Fehler zu erkennen, einzusehen und abzustellen; denn Pferde sind grundsätzlich und immer ehrlich.
Was ich erlebe, beobachte und erfahre, möchte ich weitergeben. Und wie könnte ich das besser als in Form von Geschichten, die so nahe an der Realität sind, wie es überhaupt möglich ist. Die nicht von Wunderpferden und unglaublichen Abenteuern erzählen sondern von der ganz normalen Alltagswelt, die faszinierend genug ist, wenn man es mit Pferden zu tun hat.
Ich schreibe Pferdebücher, um die Pferdewelt so zu zeigen, wie sie wirklich ist oder zumindest sein könnte, wenn an die Stelle von überzogenen Erwartungen und fast krankhaftem Ehrgeiz echtes Verständnis tritt. Verständnis dafür, was es braucht, um Pferden ein weitgehend artgerechtes Leben bieten zu können.
Meine 'Mission' - wenn man es denn so nennen will -, besteht darin, gleichzeitig zu unterhalten und aufzuklären. Vielleicht könnte man so sagen: ich möchte mit Humor und Spannung zum Nachdenken anregen.
Aber es gibt auch noch einen anderen, für mich sehr wichtigen Grund, warum ich auch nach über fünfzig Büchern nicht aufhören kann über Pferde zu schreiben.
Es macht mir einen Riesenspaß!