Der tägliche Kram
Es gibt nichts Schöneres als Pferdebesitzer zu sein. Dachte ich immer, so lange ich noch keine eigenen besaß. Kaum hatte ich mein erstes Pferd, da kamen auch schon die Probleme.
Zum einen hatte ich mir ein Ross ausgesucht, dass für meine damaligen Reitkenntnisse eine Nummer zu groß war. Seine Erfahrungen mit Menschen und meine 'Künste' auf dem Pferderücken passten nicht so recht zusammen. Erst mit den Jahren wurden wir zu einem Team.
Dann war da das leidige Problem mit der Zeit. Ein Pferd will fressen und das Geld dafür muss verdient werden. Einem Beruf nachzugehen schluckt die Zeit, die man eigentlich im Stall verbringen möchte. Nach Feierabend ist es mit der Reiterei doch nicht so toll, wie man sich das ausgemalt hat.
Dann begann ich mit dem Bücherschreiben Geld zu verdienen. Ich zog aufs Land und machte mich selbstständig. Nun war ich Herr meiner Zeit. Ich konnte reiten, wann immer ich wollte. Zumindest in der Theorie.
Die Praxis sah ein bisschen anders aus. Meine Pferde hatten so ihre eigenen Ideen von meiner Freizeitgestaltung. Sie sorgten emsig dafür, dass ich immer ausreichend zu tun hatte. Ganz ohne Reiterei.
Ihr Beschäftigungsprogramm für mich war ausgeklügelt und abwechslungsreich. Mal musste ich sie von einer Weide sammeln, auf die sie nicht gehörten und hinterher den E-Zaun flicken. Dann wieder hatten sie es fertig gebracht, sich so mit Matsch einzudecken, dass man die ursprüngliche Farbe nur noch ahnen konnten, und das natürlich immer gerade dann, wenn ich einen schönen, langen Ausritt geplant hatte.
Bei Mistwetter gab es auch die beliebte Variante, penetrant auf der Weide stehenzubleiben, weil im Eingang zum Auslauf eine Pfütze war: Igitt, da kriegen wir ja nasse Füße! Dafür wurde ich bei trockener Witterung regelmäßig in eine Staubwolke gehüllt, wenn sie auf dem umgekehrten Weg hinaustobten.
Und dann das Frühjahr, wenn das Winterfell ausging. Da hieß es dann putzen, putzen, putzen! Meistens sah ich hinterher aus wie ein Gorilla, so viele Haare hatten sich auf mir niedergelassen. Wie viele ich dabei verschluckt habe, weiß ich nicht, aber 'Haare-spucken' war an der Tagesordnung.
Die meiste Zeit verbrachte ich damit, die Pferdeäpfel einzusammeln, die meine Lieblinge in Stall, Auslauf und Weiden hinterließen. Ihre Produktion war ebenso zuverlässig wie regelmäßig, was für ein gesundes Innenleben sprach und die Arbeit nie abreißen ließ. Meine Armmuskeln entwickelten sich denn auch sehr zufriedenstellend.
Die Fresslust meiner lieben Vierbeiner zwang mich zu weiteren Aktivitäten. Ich musste ihre Weidezeit begrenzen und ihnen immer nur kleine Stücke zum Abfressen zuweisen. Das Umsetzen des mobilen Weidezauns beschäftigte mich jeden Tag für eine Weile, mal kürzer, mal länger, je nachdem, wie oft und wie gründlich sich die Litze verhedderte.
Die stundenweise Weidezeit wiederum bedingte, dass ich mehrmals am Tag die eineinhalb Kilometer zu meinen Pferden unter die Räder nehmen musste. Sie dankten mir meine Fürsorge übrigens nicht, sondern ließen sich gerne bitten, ehe sie zurück in den Auslauf gingen. Nur bei Hitze kamen sie von allein.
Im Sommer sorgten meine Pferde sogar indirekt für Arbeitsbeschaffung. Ich verdiente ihr Futter nämlich als Erntehelfer beim Bauern. Die Stunden auf den Wiesen und auf dem Heuboden halfen mir zwar, Geld zu sparen, meiner Reiterei waren sie nicht gerade förderlich.
Aber warum spreche ich eigentlich in der Vergangenheit? Es ist heute ja immer noch genauso wie vor siebenundzwanzig Jahren, als ich mit der eigenen Pferdehaltung anfing. Nur die Zahl der Reparaturen hat drastisch abgenommen, seit meine Pferde ihre jugendliche Sturm-und-Drang-Zeit hinter sich haben. Ansonsten beschäftigen sie mich auch weiterhin viele Stunden am Tag. Und gelegentlich reite ich sie sogar!